Villa Schubert in Hrádek nad Nisou
Die Villa des Fabrikanten Hermann Schubert ist das jüngste Kulturdenkmal der Stadt, und das gleich im doppelten Sinne: Gebaut wurde sie im Gegensatz zu anderen, weitaus älteren geschützten Objekten erst im Jahr 1924. Die Bedeutung und architektonische Qualität des Bauwerks ragt jedoch bei Weitem die Grenzen der Region hinaus, und so schlug die Stadt Hrádek nad Nisou vor, es zu einem Kulturdenkmal zu erklären. In das Verzeichnis der Kulturdenkmäler der Tschechischen Republik wurde die Villa am 5.5.2016 aufgenommen. Sie finden sie in der Straße Václavská.
Der prächtige Sitz des Herrn Fabrikanten
Der Bau der Villa ist eng mit der Entwicklung und dem Erfolg der Firma Hermann Schubert verbunden, deren Gelände sich auf benachbarten Grundstücken im Stadtzentrum befindet. In der prosperierenden Fabrik wurden Zwirne hergestellt, die in die ganze Welt exportiert wurden. Den neuen Familiensitz ließ sich der Fabrikdirektor Hermann Schubert im Jahr 1924 erbauen. Den Entwurf lieferte das renommierte Architekturbüro Lossow & Kühne (das unter auch das monumentale Gebäude des Leipziger Hauptbahnhofs und das Schauspieltheater in Dresden entwarf). Es brachte darin barockisierende Formen zur Geltung und kombinierte diese mit dem damals modernen Neoklassizismus sowie einer Reihe von Elementen im Interieur, die den Wohnkomfort in ungekanntem Maß steigerten.
Die repräsentative Villa hat einen L-förmigen Grundriss. Sie wird von einem robusten Mansarddach gedeckt. Die ansonsten schlichten Fassaden werden von gleichmäßig verteilten halbrunden, bodentiefen Fenstern im Erdgeschoss und rechteckigen Fenstern im Obergeschoss belebt. Aus dem Hauptgebäude ragt an der Ostseite ein Wintergarten hervor, dessen Flachdach als Terrasse dient. Der Haupteingang in das Gebäude befindet sich auf der Westseite und wird von einem von mächtigen Säulen getragenen Dach überdeckt.
Zum Haus gehörte zum Zeitpunkt seiner Fertigstellung auch ein Garten mit systematisch angeordneten Treppen, Terrassen sowie ein Außenschwimmbecken.
Am Exterieur der Villa können bis heute reich geschmückte Fenstergitter, Terrassenumzäunungen, Wasserspeier oder Reste der ursprünglichen Leuchten bewundert werden.
Das Interieur der Villa
Wie es in der Zeit, in der die Villa erbaut wurde, üblich war, wurden die Wohn- und Repräsentationsräume konsequent vom Wirtschaftsbereich des Hauses getrennt. Die innere Aufteilung des Wohnbereichs ist von einem englischen Hallenhaus inspiriert. Aus der Halle mit marmornem Kamin führt eine repräsentative Holztreppe ins Obergeschoss. Um die Halle herum waren Garderobe, Herrenzimmer, Speiseraum, Bibliothek und Wintergarten angeordnet. Im Obergeschoss hatten die Besitzer Schlaf- und Kinderzimmer. Das Personal der Villa betrat das Obergeschoss durch einen separaten Eingang; eine gewöhnliche Treppe führte in die Wohnräume der Bediensteten.
Im Souterrain befanden sich die Kellerräume, der Kesselraum sowie ein ausgeklügeltes Entwässerungssystem.
Ebenso wie im Exterieur ist auch im Interieur eine Reihe von Details erhalten geblieben: originale Fenster- und Türverglasungen, Fensterjalousien mit bis heute teilweise funktionierendem Mechanismus, ein Kamin, die elegante Treppe ins Obergeschoss, Einbauschränke und in einigen Fällen auch originale Tür- und Fensterbeschläge.
Die Villa nach dem zweiten Weltkrieg
Eine Reihe Einwohner von Hrádek erinnert sich an Villa Schubert als eine der städtischen Kinderkrippen. Diesem Zweck diente sie über vier Jahrzehnte. Nach dem Krieg befand sich hier für einige Zeit auch das erste Büro des Ortsverbandes des Tschechischen Roten Kreuzes. Seit dem 1.12.1997 kommen die Stadtbewohner in die Villa, um sich Bücher und Zeitschriften auszuleihen: die städtische Bibliothek hat hier ihren Sitz gefunden. Die Räume im ersten Obergeschoss werden durch das Mutter-Kind-Zentrum Korálek, den Verein Menschen in Not und weitere Organisationen genutzt. Es befinden sich hier auch zwei Wohneinheiten.
Nach Ende des zweiten Weltkriegs war die Nutzung der Villa sehr vielfältig. So ist es als Wunder anzusehen, dass sie bis heute in praktisch unveränderter Form erhalten geblieben ist, und das einschließlich einer Reihe von Details.
Die Geschichte der Fabrik
An der Stelle der Zwirnfabrik von Hermann Schubert stand ursprünglich die sog. Alte Mühle. Wenn man den Quellen Glauben schenken darf, wurde hier bereits im 14. Jahrhundert Getreide gemahlen. Sicher ist, dass auf der I. militärischen Kartierung aus den Jahren 1764-1768 bereits ein Mühlgraben eingezeichnet ist, den nicht nur die Mühle, sondern später auch weitere Firmen der Stadt nutzten. Im Jahr 1883 wurde Ferdinand August Hiebsch Besitzer der Mühle, der dort eine Zwirnfabrik, Spinnerei und Färberei betrieb. Mit der Ausweitung der Produktion wurde das Areal einige Male umgebaut. Im Jahr 1905 brannte es ab. Zwei Jahre später kauft es die Firma Joseph Schubert aus Zittau. Die Niederlassung in Hrádek leitete Hermann Schubert. Er ließ eine komplett neue Fabrik errichten, die er später schrittweise weiter modernisierte. Es ist sehr wahrscheinlich, jedoch nicht verlässlich belegt, dass das parallel an der Straße Václavská stehende Haupt-Bürogebäude ebenfalls vom Architekturbüro Lossow & Kühne entworfen wurde. Die Erzeugnisse der Firma setzen sich allmählich weltweit durch.
Die Fabrik blieb bis in das Jahr 1945 im Besitz der Familie Schubert. Noch im Jahr 1950 trug sie den Namen der Familie, die einstmals mehr als fünfhundert Arbeitern und weiteren Beamten und Mechanikern Arbeit gab. Danach wurde sie in Sponit umbenannt. In den sechziger Jahren wurde sie Teil des Staatsbetriebs Benar. Im Jahr 1994 erfolgte die Umbenennung in Bekon. Schon damals ging es mit der Fabrik bergab. Die Zwirnproduktion wurde zum 1.6.1998 eingestellt. Seit dieser Zeit ist das Betriebsgelände nur teilweise genutzt. Im Jahr 2016 erwarb es die Stadt Hrádek nad Nisou als strategisches Grundstück im Zentrum der Stadt.